Historische Studien
Regensburg 02.12.2011

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Familie Holzinger in der Weißenburgstraße 25 (Text-3)

Als Ernst Holzinger im Jahre 1920 in der Weißenburgstraße 25 geboren wurde, erlebten seine Eltern und seine beiden Schwestern glückliche und sorgenlose Tage. Der große Garten, der das moderne Haus ursprünglich umgab, entsprach dem Repräsentationsbedürfnis eines erfolgreichen Geschäftsmannes und angesehenen Bürgers dieser Stadt.


Das Geschäftshaus in der Maximilianstraße

Vater Ottmar war zu jener Zeit (gemeinsam mit Bruder Emil) Eigentümer des großen Handelshauses Weiß & Holzinger in der Maximilianstraße 16 mit mehreren Angestellten. Das Unternehmen war weithin wegen seiner Woll- und Strickwaren bekannt und gut eingeführt. Im Jahre 1935 überbrachte die Stadt zum 100-jährigen Bestehen herzliche Glückwünsche.

Im Jahre 1910 hatten die Eltern Daniela und Ottmar Holzinger geheiratet. Mutter Daniela war nicht nur eine junge attraktive, sondern auch eine sehr intelligente und tatkräftige Frau, sie führte den umfangreichen Haushalt, kümmerte sich um die musikalische Erziehung ihrer Kinder und engagierte sich in sozialen Fragen. Nach dem Tod ihres Schwagers Emil übernahm sie im Geschäftshaus die Verkaufsabteilung für Endverbraucher.

 

Die beiden Töchter Elisabeth und Margarete kamen 1914 und 1916 zur Welt und erhielten eine gute Schulbildung. Der Sohn Ernst erinnert sich bis heute an die jüdische Volksschule, an die Oberrealschule (heute Goethe-Gymnasium), die er bis 1935 besuchte. Aufgrund der Nürnberger Gesetze wurde ihm der weitere Schulbesuch verwehrt.


Ernst Holzinger mit seinen Schwestern

Sein Vater erkannte früh die heraufziehende Gefahr durch das nationalsozialistische Regime. Er beschloss, die Kinder möglichst schnell in das Ausland zu bringen. Ernst fuhr im Jahr 1935 in die Niederlande, um in der Gartenbauschule Ahlem sich auf ein neues Leben in Palästina vorzubereiten.
1937 reisten Ottmar und Daniela Holzinger nach Palästina, trafen Vorbereitungen für eine Emigration.

Ernst konnte mit Aljiah erfolgreich über Triest nach Palästina auswandern, wo er bereits von seiner Schwester erwartet wurde.

Die folgenden Jahre brachten weitere Verschärfungen für Ottmar und Daniela Holzinger. In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 wurden nicht nur die Schaufenster des Geschäftshauses in der Maximilianstraße zertrümmert, sondern auch die Wohnungseinrichtung in der Weißenburgstraße zerstört. Ottmar Holzinger wurde, wie alle anderen jüdischen Männer, verhaftet.

Nach seiner Rückkehr aus dem KZ Dachau wurde das Wohnhaus an das Deutsche Reich verkauft. Im Kaufvertrag wurde vermerkt, dass die Eltern für zwei weitere Jahre den 1. Stock bewohnen durften, während das Erdgeschoß vermietet wurde.

Aufgrund der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12.11.1938 musste auch das Handelshaus Weiß & Holzinger veräußert werden. Die Verhandlungen liefen bereits seit mehreren Monaten, schließlich wurde der Betrieb zerschlagen. Es entstanden zwei voneinander unabhängige Geschäftsbereiche Großkunden und Endverbraucher, die mehrere Käufer, die im Bewerbungsschreiben ihre Nähe zum nationalsozialistischen Regime durchblicken ließen, zu einem günstigen Preis erwarben.

Im Jahr 1941 wurden Daniela und Ottmar angewiesen, in das jüdische Altersheim in der Weißenburgstraße 31 umzuziehen. Am 23. September 1942 mussten sich Daniela und Ottmar Holzinger in einer Gruppe von 117 älteren Personen am Hauptbahnhof einfinden. In Waggons der Reichsbahn wurden sie über den Regensburger Ostbahnhof nach Hof und schließlich in das sog. Altersghetto und KZ Theresienstadt (bei Prag) deportiert. Laut Ankunftsliste erhielt Ottmar die Nummer 616, seine Ehefrau die Nummer 617. Im sog. Heimeinkaufvertrag, den sie zwangsweise mit dem Deutschen Reich hatten abschließen müssen, wurde ein lebenslanger Aufenthalt in einem Altersheim mit freier medizinischer Versorgung versprochen. Doch die hygienischen Verhältnisse waren miserabel, auch die Versorgung mit Lebensmitteln schwierig. Ottmar veratarb am 16. Januar 1944, seine Ehefrau Daniela wenige Monate später, am 5. September 1944.


Gunther Demnig begrüßt Ernst Holzinger
zur Verlegung der Stolpersteine für seine
Eltern 2010

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